Dass Braun ein Physiker der wilhelminischen Zeit war, gilt zunächst einmal in einem ganz wörtlichen Sinn: die Zeit seiner professionellen Karriere deckte sich ziemlich genau mit der Existenz des deutschen Kaiserreichs.
Aber auch in einem übertragenen Sinne war er ein Physiker der wilhelminischen Zeit. Braun gehörte zu den letzten wichtigen Vertretern jener Generation von Physikern, die die Institutionalisierung der Physik in Deutschland getragen hatte. Seine Karriere spielte sich in genau den Feldern ab, die für die sich allmählich professionalisierende Physik in der zweiten Hälfte des neunzehnten Jahrhunderts typisch waren: er arbeitete zunächst als Gymnasiallehrer, was für die meisten Absolventen eines naturwissenschaftlichen Studiums die wichtigste berufliche Perspektive bot, dann durchlief er eine Universitätskarriere mit den üblichen Stufen außerordentlicher Professor für theoretische Physik und ordentlicher Professor für Experimentalphysik.
Auch seine wissenschaftliche Arbeit bewegte sich zunächst im Rahmen des Üblichen. Er beschäftigte sich hauptsächlich mit elektrischer Leitung, insbesondere Elektrolyse, mit der Theorie der Galvanischen Ketten und damit in Zusammenhang stehenden Fragen der Thermodynamik und der Meßtechnik. Das Einzige, was von diesen Arbeiten von heute aus betrachtet eine wesentliche Entdeckung wäre - die unipolare Leitung oder Gleichrichterwirkung von einigen metallisch leitenden Stoffen (den heutigen Halbleitern) - war damals nur eine Kuriosität, die man weder erklären noch anwenden konnte. Dies änderte sich erst kurz vor der Jahrhundertwende. Durch eine äußere Anregung kam Braun 1898 dazu, sich mit dem Gebiet der drahtlosen Telegraphie zu befassen, dem er einige entscheidende Impulse gab und das seine gesamte weiter Arbeit dominierte.