Ordentlicher Professor

Ordentlicher Professor

Polytechnikum Karlsruhe 1883-1885

In größerem Umfang konnte Ferdinand Braun seine Vorstellungen von wissenschaftlicher Arbeit und Lehre umsetzen, als er in Karlsruhe und vor allem in Tübingen Direktor eines eigenen Instituts geworden war.

Tübingen 1885-1895

In Tübingen hatte Braun die Aufgabe, ein völlig neues Institutsgebäude zu errichten und den Erfordernissen einer zeitgemäßen Physikausbildung entsprechend ausrüsten zu lassen. Die Struktur des von Braun errichteten Institutsgebäudes ist für naturwissenschaftliche Institute dieser Zeit charakteristisch. Es gab klar voneinander getrennte Bereiche für die eigentliche wissenschaftliche Arbeit, für die großen Vorlesungen und für die praktischen Arbeiten der Studenten, die in der neuen Ordnung des Seminars für alle Studenten der Physik vorgesehen waren.

Zeitgleich damit wurde auch die Bestimmungen des mathematisch-physikalischen Seminars überarbeitet und die Inhalte der Gymnasiallehrerausbildung diskutiert. Braun vertrat in den Diskussionen die Position eines naturwissenschaftlichen Neuhumanismus, der die Naturwissenschaften als gleichberechtigte Fächer neben den Geisteswissenschaften im Bildungskanon verankert sehen wollte und sich dabei auch auf die Nützlichkeit dieser Fächer für den technischen Fortschritt berief. Mit diesen Ansichten wurde er im traditionsbewussten Tübingen bald in heftige Auseinandersetzungen mit der konservativen Fakultätsmehrheit verwickelt, die sich über den größten Teil seiner Tübinger Zeit hinzogen.

Straßburg 1895-1918

In den Jahren um die Jahrhundertwende zeichneten sich einige Entwicklungen ab, die die Physik am Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts deutlich verändern sollten. Für Braun kam es aber 1895 zunächst zu einer persönlichen Veränderung, als er einen Ruf auf eine prestigeträchtige Professur an der Kaiser-Wilhelms-Universität in Straßburg erhielt. Dadurch stand ihm ein deutlich größeres Institut als in Tübingen zur Verfügung, und er hatte auch keine Probleme mehr mit einer traditionalistischen Fakultätsmehrheit.

Allerdings fehlte ihm in Straßburg zunächst auch ein klar gestecktes Ziel. Er brauchte niemandem mehr zu beweisen, dass er die Arbeitsmethoden der Experimentalphysik anzuwenden gelernt hatte, und auch der Aufbau einer zeitgemäßen Physikausbildung und die Schaffung von angemessenen Forschungsmöglichkeiten, was in Tübingen einen großen Teil seiner Energie erfordert hatte, war in Straßburg nicht nötig. Straßburg war eines der Modellinstitute für diese Entwicklung gewesen und verfügte bereits über alle derartigen Einrichtungen.

Für Braun ergab sich erst wieder eine klare Arbeitsrichtung, als er 1898 eher zufällig dazu kam, sich mit der drahtlosen Telegrafie zu beschäftigen. Mit der Hinwendung zu technischen Fragen ergab sich für Braun aber nicht nur ein neuer Schwerpunkt für seine praktische Arbeit, sondern er verband damit auch eine Vision für die weitere Entwicklung der Physik. Schon während seiner Zeit am Polytechnikum in Karlsruhe und gelegentlich in Tübingen hatte Braun sich für eine engere Verbindung von Physik und Technik ausgesprochen. Diese Ansichten wurden in Straßburg für einige Zeit prägend für seine gesamte Arbeit.

Florian Hars <florian@hars.de>, 2007-10-15 (orig: 1998-08-16)